von Angelica Löwe, Wien.
Auf mich hat die rigorose Eindämmung des normalen Alltags, die von einem Tag auf den anderen das soziale Leben und den gewohnten Austausch lahmlegte, eine eigenartige Wirkung.
In mir fühlt es sich wattig an. Nicht immer, lediglich ab und zu, manchmal länger andauernd, manchmal nur kurz. Dieses Wattige überfällt mich als etwas Fremdes, von außen Kommendes, es nistet sich in meinem Körper ein und verlangsamt mich, macht mich ein bisschen „blöde“ im alten Sinn des Wortes, nämlich schwach. Müde? Nein, nicht müde. Kein Betäubtsein. Denn das Denken ist nicht beeinträchtigt. Im Gegenteil, seltsamerweise wird es klarer angesichts dieser Attacke. Als Angst oder Panik würde ich diesen Zustand nicht bezeichnen, denn ich bin ja ganz ruhig und durchaus besonnen, glaube aber, dass er eine Vorform der Angst darstellt. Ich kenne diesen Zustand, aber ich erinnere mich nicht, in den letzten Jahren in ihn hineingeraten zu sein. Jetzt ist es also wieder da, als Überfall am helllichten Tag. Ich beschließe, diesem wattigen Empfinden auf der Spur zu bleiben und mich damit auseinanderzusetzen. Eigentlich, so lautet mein erstes Resümee, handelt es sich um eine Art Stimmung in mir. Stimmungen hat man – jeder hat Stimmungen. Was ist das für eine Stimmung, frage ich mich, diese Stimmung aus Watte? Sie ist weder gut noch schlecht, ich bin weder zufrieden noch unzufrieden, nicht alarmiert noch sonderlich beruhigt, nicht gereizt noch erfreut. Irgendwie scheint die Stimmung eine Art suppige Konsistenz zu haben bei neutralem Geschmack.
Heidegger fällt mir ein, was manche verwundern mag. Doch es ist Heidegger, der sagt, dass sich unsere Existenz nicht vom Denken her, sondern von den Stimmungen, in denen wir immer schon sind oder in die wir geraten, erschließt. Diese Erschließungsmacht der Stimmungen scheint mir ein brauchbarer Ansatz zu sein, sich in der gegenwärtigen Situation zu orientieren oder zumindest einige Anmerkungen zu ihr zu machen. Die Urform aller Stimmungen, die Heidegger für geeignet hält, Auskunft über unser Verhältnis zur Welt zu geben, trägt paradoxerweise nicht den Namen einer Stimmung, sondern lässt sich als Vorform aller welterschließungsrelevanten Stimmungen bezeichnen. Heidegger nennt sie „fahle Ungestimmtheit“, (Heidegger, M. (1927/1972), Sein und Zeit, Tübingen: Niemeyer. S. 134). Diese „fahle Ungestimmtheit“ sei, so Heidegger, „oft anhaltend und ebenmäßig“. Wer sich in ihr befindet, dem erschließt sich das Dasein als Last.
Heidegger spricht nun einen seelischen Vorgang an, der uns als Analytikern zutiefst vertraut ist, und den wir mit dem Begriff des Widerstands belegen, wenn auch vorzugsweise ausschließlich im Bereich der persönlichen Problematik: Wenn hinter der Fassade des Daseins, hinter den Routinen unseres Alltagsleben etwas hervorblitzt, sich – wie wir es gegenwärtig erleben –etwas an die Stelle unserer Routinen setzt, das dieses Leben als Ganzes in Frage stellt, dann wollen wir das zunächst nicht wahrhaben. Wir wollen es uns nicht freiwillig „erschließen“. Wir kehren uns lieber ab. In der „fahlen Ungestimmtheit“ zeigt sich unser Abgewandtsein, unsere Abwehr dessen, was sich uns dennoch aufdrängt. Wir wollen, dass die Dinge weitergehen, dass Schwung in der Sache ist, wir wollen dessen enthoben sein, was man als die Last des Lebens bezeichnen kann. In Zeiten der außer Kraft gesetzten Routinen lässt sich die Fiktion des Enthobenseins nicht mehr so einfach aufrechterhalten. Anstelle des normalen Lebens tut sich Abgründiges auf. In Heidegers Sprache: das „Daß“ des Daseins starrt einem mit unerbittlicher Rätselhaftigkeit entgegen“ (Ebd., S. 136).
Zurück zu der Bemerkung: Wir wollen, dass die Dinge weitergehen. Aus diesem Wunsch erschließt sich, dass wir Bewegungslosigkeit im Außen nur schwer ertragen können, da uns in diesem äußeren Stillstand nicht etwa innerer Stillstand spürbar wird, – obwohl sich das zunächst so anfühlen mag – sondern etwas anderes: wir nehmen wahr, dass Zeit vergeht, aber ohne jede Bedeutung. Pure verrinnende Zeit, ohne ein Woher und Wohin. Ohne Zielgerichtetheit. Das ist schwer auszuhalten. Wir sind gewöhnt, Zeit in ihrem Voranschreiten nicht als vordergründig präsent zu erfahren. Sie soll im Hintergrund mitlaufen, irgendwie wie von selbst vorbeigehen durch das, was wir den Gang der Ereignisse nennen, was uns der Terminkalender sagt, was wir uns vorgenommen haben.
Wie sehr wir in unserem grundsätzlichen, alltagstauglichen Gestimmtsein immer schon auf etwas gerichtet sind, das wir erwarten, mit dem wir rechnen und das wir einplanen, erfahren wir in der gegenwärtigen Situation, wo dieser Mechanismus in Frage gestellt ist. Die gegenwärtige Situation wirft uns auf uns selbst zurück.
In solchen Situationen entsteht das, was wir Langeweile nennen oder, mit einem altmodischeren Wort ausgedrückt, Verdruss bzw. Überdruss. Heidegger, dem es bei welterschließenden Stimmungen immer auf die Verbindung zwischen Einzelnen und Welt ankommt, sieht in der überdrüssigen Stimmung eine Möglichkeit, des ansonsten evasiv-merkurial auftauchenden Daseins gewahr zu werden. Das Dasein ist sich gewissermaßen selbst in die Falle gegangen. In der „fahlen Ungestimmtheit“, so Heidegger, zeige sich, „dass … das Dasein ihm selbst überdrüssig wird“ (Ebd.). Diese knappe Formulierung enthält einen scharfen Blick auf die Moderne als eine Zeit, die ihrer selbst nicht ansichtig werden und sich den Überdruss an ihr selbst als Geheimnis bewahren will.
Noch etwas: wir wollen, dass die Dinge funktionieren.
Das Sicherheitsversprechen der Funktionstüchtigkeit globalisierter Systeme ist von hoher suggestiver Kraft, und es verlangt von Menschen, ihr Potential, ihre Arbeitskraft technischen Abläufen unterzuordnen. Die Logik sowie zunehmend geringer werdende Fehleranfälligkeit hochvernetzter technischer Systeme bringt Menschen in Selbstoptimierungszwänge, die nicht selten als persönlicher Wunsch oder selbstgesetztes Ziel erfahren werden. Dass dies eine Fiktion ist, dass „der erschöpfte Mensch“ stets Idealen hinterherläuft, ohne sie jemals zu erreichen, ist uns aus unserer Arbeit nur allzu bekannt.
Im Moment jedoch versagt der superiore Anspruch der Technik, die Logik unserer Systeme bricht vorübergehend zusammen. Zurück bleiben wir in einem Leben, das uns momentan keine sicherheitsversprechenden Fixpunkte bietet. Wir sind nun bis auf weiteres auf eine Warteposition zurückgeworfen. Panik und Angst haben inzwischen die Menschen im Griff, deren ökonomische Existenz real bedroht ist. Ängstliche Angespanntheit breitet sich aus bei denen, deren Privilegien durch den Shutdown des Staates nicht oder nicht in erheblichem Umfang unterminiert werden.
Bei denen, die es nicht so hart trifft, kommt „fahle Ungestimmtheit“ auf, die sich bis zur Angst steigern kann. Ich deute sie als Antwort auf eine Überforderungserfahrung, auf das Gefühl des Auf -sich – selbst – Zurückgeworfenwerdens. Der Lastcharakter des Daseins ruht jetzt nicht mehr auf der funktionalen und berechenbaren Leistungsfähigkeit unserer hochtechnisierten Welt, er ruht auf unseren Schultern. Das Belastende ist vor allem die Erfahrung unserer Abhängigkeit von Systemen, die wir nicht steuern können und deren Funktionieren wir voraussetzen müssen, um der Last des Daseins enthoben zu sein. Wir erfahren in trüben Momenten, von welchen Gottheiten wir beherrscht werden und dass der Spielraum unserer Freiheit kleiner ist als zuvor angenommen. Wir fühlen uns klein und hilflos und ohne Gott.
Viele Patienten reagieren mit starken körperlichen Symptomen wie Schwindel, Hörsturz, Erbrechen, Einschlafstörungen. Und vor allem mit Angst und Panik. Erstaunlich finde ich, in welchem Ausmaß Patienten Parallelen zur gegenwärtigen Krisensituation ziehen, und dies durchaus mit kritischem Blick. So in etwa eine Patientin: „Ich bin paralysiert und frustriert über meine Paralyse … Die Zukunft macht mir Angst. Meine Vision ist: einen Schritt zurückgehen. Wir brauchen diesen Turbokapitalismus nicht, wo der einzelne keine Rolle mehr spielt!“ Ich nehme wahr, wie ich zustimmend in meinen Telefonhörer nicke.
Freiwillig und mit anhaltender Neugier einen Blog aufzuschlagen gehörte bis vor kurzem nicht zu den Tätigkeiten, mit denen ich meine Person treffend charakterisiert gewusst hätte. Mittlerweile aber entdecke ich bei meinen Lektüren der „Zweibesten Fahrt“ sogar einige Gefährten. Fragen, die mich beim Lesen der Einträge und Kommentare zuverlässig begleiten.
Wonach suche ich hier? Und was treiben wir mit diesem Blog eigentlich? Gewinnt das ganze Projekt eine Richtung? Gibt es Texte, auf die neue Einträge referieren und aufbauen? Oder ‚sammeln‘ wir noch, und containen einander im Rahmen der Möglichkeiten – vielleicht machen wir beides sogar bis zum Schluss? Also, bis jemand das Thema „Corona-Welle“ oder den Blog als abgeschlossen erklärt.
Schon in den Eröffnungstexten der „Zweitbesten Fahrt“, den beiden Einträgen von Angelica Löwe und Stefan Wolf wird auch die Kritik am Erstbesten deutlich. Ich muss gestehen, ich habe Stefan Wolf für seine Formulierungen gedanklich high-five gegeben, wonach der „Wecker (…) nämlich schon seit Jahren“ klingelt, und „die meisten Erwachsenen auch nur verkleidete Kinder sind, erschrocken wie es selbst.“
Angelica Löwe setzt sich in ihrem Eintrag mit Stimmungen auseinander. Panik und Angst, ängstliche Angespanntheit, fahle Ungestimmtheit. Ich habe Zeit gebraucht, um das nachzuvollziehen. Jetzt aber merke ich, wie sehr ich mit diesen „Qualitäten“ zu tun habe. Es ist vielleicht wie bei einem Unfall, den ich zunächst beobachtete, oder von dessen Existenz ich erstmal überhaupt nur hörte; dann wie ein Geschehen, in das ich mich schon peripher verwickelt ahnte, nur um mich daraus dann immer wieder in meinen Alltag zu verabschieden; schließlich wird der Unfall zur frontalen Begegnung auf ganzer Fläche, ein Ereignis, das mich zwischenzeitlich völlig in sich hineinreißt.
„you can never hold back spring“ – eins meiner Lieblingslieder von Tom Waits passt nicht mehr zum Beigeschmack des Isolatorischen, den all meine Versuche tragen müssen, mir etwas Gutes zu tun. Eher zugeneigt erlebe ich mich einer Bibelstelle. Das vielleicht aber auch nur, weil es Eugen Egner ist, der sie einer Sammlung makabrer Geschichten (Nach Hause, 2007) voranstellt: In der Welt habt ihr Angst. (Joh. 16,33)
Die nicht unbeträchtlichen Corona-Beschränkungen in meinem Alltag (außer meiner Partnerin habe ich seit Monaten niemanden umarmt) auseinanderzuhalten von den Gefühlen der Resignation und des Ärgers darüber, was in beinahe jedem Text hier anklingt, dem Wahnsinn der „erstbesten“ Normalität – das fällt mir schwer. Aus meinen subjektiven Stimmungsschwankungen heraus besehen (in den Worten von Angelica Löwe und Martin Heidegger klingt da mehr eine Tatsache des Daseins durch: Schwankungen der Gestimmtheit), erfährt auch unser Blogprojekt für mich periodische Auf- und Abwertungen.
An manchen Tagen, wenn ich mindestens „wattig“ drauf bin, wie Löwe es beschreibt, fehlt mir ein Zugang zu den Texten hier, und auch der Idee, gerade jetzt Texte zu produzieren, völlig. Sie sind mir dann mitsamt der ganzen Blogidee nichts als Werkzeuge der Verleugnung der „wirklichen“ Realität. Eine regelrechte Scham, daran lesend und schreibend teilzuhaben, steigert sich noch im Wissen darüber, dass Andere in der Zwischenzeit mit Knoff-hoff und immensem Aufwand dafür gesorgt haben, dass wir weiter therapeutisch arbeiten können, Andere uns während der Krise in den Verhältnissen halten, gegen die ich zeitgleich anschreibe (und damit gewissermaßen meinen Undank ausdrücke). „Wie Saboteure“, höre ich diese Anderen dann in meinem Kopf zischen. Auch eine Stelle meinem Lieblingsphilosophen Henri Bergson, der mich seit Studentenzeiten im Denken begleitet borge ich den imaginierten Kritikern dieses Blogs: „Hört nicht auf das, was sie sagen, seht darauf, was sie tun“ (findet sich an mehreren Stellen in: Die beiden Quellen der Moral und der Religion). Meiden die vor allem klinisch interessierten Kolleginnen und Kollegen diesen Blog?
(Offenbar hat die Scham etwas mit der Definitionsmacht darüber zu tun, worin die Krise besteht)
Die Zweifel am Sinn von so einer „Herumschreiberei“ (in Österreich wurde in den letzten Wochen durch die Polizei immer wieder das öffentliche „Herumsitzen“ und „Herumstehen“ untersagt) verstärken sich auch noch, wenn ich im Kopf einen bestimmten Personen- und Bekanntenregister aus jungianisch und psychoanalytisch denkenden Menschen durchgeforstet habe, um dann fatalistisch festzustellen: die beteiligen sich hier alle nicht! In diffizilen Momenten dieser (meiner) Krise reicht das Fehlen manch einer Stimme, der ich innerlich, aus meinen Sehnsüchten und Komplexen heraus besonderes Gewicht und Legitimationskraft zugestehe. Ich komme dann zum Schluss: Wenn der /die hier nichts schreibt, läuft was verkehrt. Wir sind abgehoben mit dem Blog, und all den schönen Texten, die wir mit noch schöneren lyrischen Zeilen versetzt haben.
An solchen düsteren Tagen quittiere ich den Wunsch von Stefan Wolf – nach zwei prominenten Virologen als medialem Elternpaar, denn es herrsche „eine Erklärungsnot, in der ich merkwürdigerweise von meiner eigenen Profession so gut wie nichts erwarte (…)“ – mit einem bitteren Lachen. Ich kann dann nicht anders, als seinen Unglauben an die Psychoanalyse wortwörtlich zu nehmen. Was für eine ätherische Profession habe ich mir da ausgesucht. Hätte ich mich nur an hard facts gehalten, die in der Krise nicht der freiwilligen Selbstzermalmung unterliegen.
Und ebenso führe ich dann mit Angelica Löwe eine Art nervöses Fantasiegespräch, wenn ich ihr zum Ende ihres Eintrags vom meinem Berliner Schreibtisch aus Richtung Wien zurufe: „Angelica, diese Patientin, die raus will aus dem ‚Turbokapitalismus‘, die hört dein zustimmendes Nicken am Telefon nicht!“
Es gibt auch andere Tage. Dann muss ich für die Psychoanalyse nicht alleinig den Maßstab der „Macher“ übernehmen, und eine damit verbundene Lesart von Realität anlegen. Dann nämlich kann ich mir sagen, was Löwe und Wolf längst verinnerlicht haben, wenn sie ihre beiden Texte hier veröffentlichen: Es muss hier nicht um die zermarternde Zurschaustellung unserer Unzulänglichkeiten gehen. Was im psychotherapeutischen (und vielleicht noch mehr psychoanalytischen) Denken vor sich geht, lässt sich überhaupt nicht gut in der Dichotomie von Aktivität und Passivität abbilden.
Ich finde die beiden erwähnten Texte lebendig und immer wieder lesenswert, weil sie mir eine Art mimetischen Miterlebens von Verhinderung ermöglichen. Beide Autoren verwenden auch ihr Körpererleben als Medium von Darstellung und Ausdruck. Ich erlebe so eine Art Detachement gerade auch ohne diese Texte an mir, aber eher stumpf und distanzlos. Wer nur in der Polen von aktiv und passiv „herumoszilliert“, wie der Österreicher sagen würde, kann das vielleicht auch nicht nachvollziehen.
Mimesis – mag eine alter Hut sein, und zudem durch die Biologie, für die der Mensch nur Tier ist (außer die Biologen selbst) als Täuschungsmanöver verschrien. Aber Mimesis verhilft uns durch eine kreative Übersetzung des Wahrgenommenen in eine neue Ausdrucksgestalt auch weiter. In neuer „Anähnlichung“ (Christoph Wulf) übersteigen wir den Gegensatz von actio und passio. Dass ich Stefan Wolfs Sehnsüchte auf der Couch in finstrer Nacht mitempfinden kann, und ebenso Angelica Löwe im Kontext ihrer Stimmung – „Sie ist weder gut noch schlecht, ich bin weder zufrieden noch unzufrieden, nicht alarmiert noch sonderlich beunruhigt, nicht gereizt noch erfreut. Irgendwie scheint die Stimmung eine Art suppige Konsistenz zu haben bei neutralem Geschmack“ – verdanke ich der Energie zur Neuhervorbringung bei beiden Autoren.
Besonders diese Texte auf dem Blog berühren mich, die das Schreiben als ein Tun begreifen, das der Unmöglichkeit etwas zu tun, nicht mehr ausweicht. Nicht Ärmel werden hier hochgekrempelt, nicht die Passivität ge-managed. Die Verhältnisse beginnen aus ihrer eigenen Düsternis heraus, aus der „fahlen Ungestimmtheit“ und der finsteren Sofaecke hervorkommend, schwach aber dafür in Eigenfarben zu leuchten. Dabei bleiben die Dinge so „suppig“ wie sie eben gerade sind; sie verlieren aber auch an namenloser Ansteckungsmacht.
(Walter Benjamin wusste vermutlich viel über die Kraft, die es erforderte, das Erinnerungsmaterial seiner Berliner Kindheit um 1900 neu heraufzubeschwören, uns zu vermitteln, wie „stichdunkel“ sich anfühlt für das Kind, und wie es sich anhört, wenn das „bucklichte Männlein“ durch den Gasstrumpf summt)
Welche Veränderung performatives Schreiben erwirkt, wird wohl davon abhängen, ob Andere das, was darin nochmals lebendig wird überhaupt an sich spüren und nachvollziehen wollen. Vielleicht darf es vor jeder Aneignung auch Gefühle der Überwältigung geben?